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Ikonographie I - Attribute und Perspektive

Maria mit dem Kind in der Rosenlaube - um 1470


Meister des Marienlebens, Maria mit dem Kind in der Rosenlaube, um 1470 in der Gemäldegalerie Berlin, Saal II - Privatfoto
Viele Besucher/innen der Gemäldegalerie laufen schnurstracks an diesem Gemälde in Saal II vorbei. Den einen oder die andere mag noch das viele Gold einen Blick werfen lassen, verweilen tut aber fast niemand. Klar, ist kein Tizian und auch kein Rubens. Thematik und Bildinhalt sind aber spannend, wenn man sieht, versteht und deuten kann.
Diese Aufgaben möchte ich für Euch übernehmen. Es gibt eine Menge zu entdecken!
Was sehen wir? 
Einen recht kargen Garten, umgrenzt von einer Rasenbank, überwölbt von einer Rosenlaube. Im Garten auf der Wiese sitzt eine Dame mit Kind, drei Damen haben sich um sie versammelt. Dazu kommen noch seltsam kleine Menschen, die sich in zwei Gruppen im Vordergrund des Bildes versammelt haben. Links die Männer, rechts die Damen. Sie knien und beten.

Zu der Hauptperson: Die Dame mit dem Kind. Den meisten ist es schon klar. Es ist Maria mit Jesus auf dem Schoß. Sie trägt einen blauen Mantel, typische Farbe und Erkennungsmerkmal der Madonna. Natürlich wird ihr Haupt von einem Nimbus gekrönt. 
Doch auch außerhalb ihrer Person selbst wird deutlich, dass es sich um ein Marienbildnis handelt. So ist Maria, die auf einer Rasenbank sitzt, eine gängige Darstellung. Wie hier bei einem berühmten Kupferstich von Martin Schongauer.

Martin Schongauer, Madonna auf der Rasenbank, Mitte des 15. Jahrhunderts. In: Staatliche Graphische Sammlung München (Hrsg.), Martin Schongauer. Das Kupferstichwerk, München 1991, S. 115.
Beim Gemälde in der Gemäldegalerie in Berlin ist die Rasenbank im Hintergrund zu finden und damit wiederum Verweis auf Maria. Auch die Rosenranken sind ein Fingerzeig zu Maria. In unzähligen Gemälden wird sie mit einer Rose in der Hand oder in einem Rosenhag dargestellt, wie hier bei Stephan Lochner.
Stephan Lochner, Madonna im Rosenhag, um 1450. Zu finden im Wallraf-Richartz-Museum in Köln.
Soviel zur Hauptperson, der Madonna. Rätselhafter für so manchen Betrachter mögen die drei Damen sein. Auf den ersten Blick sind ihre Attribute, die sie aus der Namenlosigkeit befreien, nicht zu sehen. Doch wenn man genauer hinschaut erkennt man ein Rad, einen Turm und ein Töpfchen.
Hinter der Dame ganz links versteckt sich ein Rad. Sie ist damit als Heilige Katharina zu erkennen. Die Frau in der Mitte, im Profil dargestellt, hält ein Salbentöpfchen in der Hand und präsentiert sich so als Maria Magdalena. Ganz rechts sitzt die in Grün gekleidete Dame, reicht dem Kind ein Blümchen und hinter ihr ist ein Turm mit drei Fenstern zu sehen. Es ist die Heilige Barbara. Barbara und Katharina sind Märtyrerinnen und Schutzheilige (eine kleine Auswahl an Schutzheiligen findet Ihr HIER), Maria Magdalena war eine Begleiterin Jesu.

Detail: Die hl. Katharina
Detail: Die hl. Barbara und Maria Magdalena

Die erstaunlich klein dargestellten Personen im Vordergrund des Gemäldes sind häufig die Stifter und Stifterinnen des Gemäldes. Sie sind kleiner dargestellt, weil sie nicht so wichtig, geschweige denn heilig sind, wie die über ihnen dargestellten Personen. Man spricht dann von Bedeutungsperspektive. Hier handelt es sicher aber um Mönche und Nonnen, nicht um bürgerliche Personen. Die Stifterfrage ist also nicht ganz klar. Möglicherweise gab ein Orden das Gemälde in Auftrag. Eine weitere Möglichkeit ist, dass eine ganz weltliche Person das Gemälde bezahlte, es aber dann an ein Kloster verschenkte, um die Mönche und Nonnen aufzufordern, für seine Person zu beten und Fürbitte zu leisten.







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