Direkt zum Hauptbereich

Byzantinisches II - Die schwierige Frage nach den Bildern

Mosaikikone mit Christus dem Barmherzigen, 1. Viertel 12. Jahrhundert, Konstantinopel. Aus: Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst, Berlin - Preußischer Kulturbesitz. Foto: Jörg P. Anders (smb-digital.de)

Ikonen - für viele Menschen (zum Beispiel in Russland) nach wie vor ein wichtiges Mittel der religiösen Spiritualität, der Andacht und der Verehrung. In den westlichen, europäischen Ländern sind sie vor allem aus ästhetischer Sicht nicht besonders beliebt. Im Museum laufen die meisten Menschen möglichst schnell an ihnen vorbei, sie gelten Vielen als langweilig und eintönig.
Ein Grund mag sein, dass diese Art Darstellungen doch immer und immer wieder sehr ähnlich, wenn nicht sogar gleichartig ausfallen. Das stellte auch schon der Franzose Adolphe N. Didron fest, als er sich im Jahr 1839 in Griechenland, genauer auf dem Berg Athos (HIER mehr zu diesem sehr speziellen Berg) mit Ikonenmalerei beschäftigte: "Der griechische Maler ist der Sklave des Theologen. Sein Werk ist Vorlage seiner Nachfolger, wie es Kopie nach den Werken seiner Vorgänger ist." Dieser Eindruck der Gleichförmigkeit, den wir heute noch haben, ist also derselbe wie ihn Didron vor fast 200 Jahren hatte.
Der großartige Ernst Gombrich, dessen "Die Geschichte der Kunst" 1950 veröffentlicht, stellt zu dieser Beobachtung schlicht fest, dass die unbewegten Abbildungen der Heiligen auf diesen goldschimmernden Bildern in den Augen der Gläubigen ganz einfach "(...) vollkommene Sinnbilder der heiligen Wahrheiten (...)" sind, sodass es keinen Grund zur Veränderung gab. Heute ist dieser Gedanke schwer vorstellbar, da sich doch das Design und die Kunst um uns herum ständig verändern. Doch die byzantinische Kultur ist bekannt dafür, dass sie Riten, Bräuche und eben auch Stile beibehielt und über Jahrhunderte pflegte und reproduzierte.

Hier soll es nun nicht um moderne, russische Ikonen gehen, wie sie viele vielleicht vor Augen haben, wenn es um Ikonenmalerei geht, sondern um byzantinische.  Davon sind sehr wenige erhalten. Ein besonders wertvolles und schönes Exemplar findet sich im Museum für Byzantinische Kunst in Berlin (s.o.). Es stammt aus dem 12. Jahrhundert, wohl aus Konstantinopel und ist nicht gemalt, sondern rein aus Mosaiksteinchen gefertigt. Byzantinische Künstler waren Meister der mosaistischen Ausstattung. Das sieht man vor allem in den Kirchen, in denen ganze Wände über und über mit kostbaren Steinen bestückt, prächtige Bilder formen. Wie bei diesem Beispiel aus Ravenna aus dem sechsten Jahrhundert.


Doch zurück zu byzantinischen Ikonen. Nach Belting haben sie sich durch die Vermischung der Traditionen antiker Totenbildnissen, Kaiserbildnisse und Götterbilder entwickelt.
Totenbildnisse sind die Abbildungen der Verstorbenen, die zum Teil auch vervielfältigt wurden. Die Abbildungen von Kaisern hatten bereits in der römischen Antike einen Platz in der Kunst, jedoch erfuhren diese Bilder in Byzanz nochmals einen Aufschwung, da der Kult um den Kaiser in Konstantinopel groß und pompös war und der Kaiser wie ein Gott behandelt und angesehen wurde (auch das Mosaik in Ravenna zeigt die byzantinische Kaiserin Theodora). Götterbilder nun kennen wir reichlich aus dem paganen Glauben der Antike, sowohl aus dem griechischen, als auch aus dem römischen Reich.

Man muss sich nun vorstellen: Das byzantinische Volk und vor allem die Einwohner Konstantinopels lebten in einem stark vom christlichen Glauben geprägten Reich. Wer schon einmal in Istanbul war, weiß wieviele (ursprünglich) Kirchen aus der Zeit vor dem osmanischen Reich da herumstehen. Vor den Eroberungen Konstantinopels 1204 durch die Kreuzfahrer und später noch einmal 1453 durch die Osmanen gab es noch ungemein mehr von ihnen. Wichtig waren auch die Abbildungen, die Ikonen, die verehrt, angebetet und geküsst wurden.
Doch gibt es einen einschneidenden Wendepunkt in der Geschichte der Abbildungen Heiliger: Den Ikonoklasmus - Bilderstreit. Dieser fand in zwei Phasen statt, einmal im achten, einmal im neunten Jahrhundert. Es handelte sich dabei um einen heftigen Streit innerhalb der oströmischen Kirche, ob Heilige abgebildet werden dürften oder nicht.  Die Gründe für die immer wieder aufflammende Auseinandersetzung sind vielfältig und heute nicht mehr vollständig nachzuvollziehen.
Das Gebot "Du sollst Dir kein Gottesbild machen" sprach schon einmal gegen Bilder. Zudem gab es immer wieder erfolgreiche Angriffe muslimischer Völker, die wiederum keine Bilder ihres Gottes hatten und somit für den Verdacht sorgten, dass es vielleicht das Problem der Byzantiner sei, dass sie Bilder ihrer Heiligen hatten. Hatten die christlichen Oströmer also ihren Gott durch die Bilder erzürnt und verloren deshalb Krieg nach Krieg?
Natürlich feuerten die diversen aufeinanderfolgenden Kaiser die Diskussion auch immer wieder je nach ihrem Interesse an. Einige Kaiser genossen es sicher auch, dass nun ihre Abbildungen die einzigen anbetungswürdigen waren und sie nicht mehr mit den Heiligen "konkurrieren" mussten.

Es gab regelrechte Bilderstürme der Ikonoklasten (Ikonenzerstörer). Menschen zerstörten Ikonen in Kirchen, in öffentlichen Gebäuden und Abbildungen Heiliger in Privatbesitz. Das ist sicherlich auch der Grund, warum es so wenig erhaltene Ikonen aus der Zeit vor und aus dem neunten Jahrhundert gibt.

Nachdem dieser langanhaltende und brutale Zwist im Jahre 843 endgültig beendet war und sich die Ikonodule (Ikonenverehrer) durchgesetzt hatten, begann für die Ikonen ein zweiter Frühling in Byzanz. Die Ikone setzte sich von da an als fester Bestandteil des orthodoxen Christentums durch. Diese Beliebtheit hält bis heute an, wie anhand der enormen Bandbreite russischer Ikonen klar wird (denn in Russland herrscht ja der orthodoxe Glaube vor).



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Verbrannte Gesichter - Kunstwerke aus dem Flakbunker Friedrichshain

Bodemuseum, Berlin - Privatfotografie Wenn man diese Büste betrachtet, wirkt sie sogleich wie ein menschliches Brandopfer. Die Lippen unnatürlich gestrafft, die linke Gesichtshälfte bis zur Unkenntlichkeit verbrannt, das Auge fehlt. Sowohl bei einem Menschen aus Fleisch und Blut, als auch bei dieser Büste muss eine Katastrophe vorausgegangen sein. Bei dem großen Unglück, das diese Skulptur miterlebt hat, handelt es sich um eines der größten der Menschheitsgeschichte - den  2. Weltkrieg . Die Sammlungen der Gemäldegalerie wanderten während des Krieges hin und her, auf der Suche nach einem sicheren Platz für sie. Zunächst waren sie alle nach und nach in den Flakbunker Friedrichshain gebracht worden. Doch als 1945 die Ostfront immer näher in Richtung Stadt Berlin rückte, beschloss man viele der Gemälde, Skulpturen und andere Schätze an anderen Stellen in Deutschland zu deponieren. Wie zum Beispiel im Salzbergwerk Kaiseroda. Jedoch endete der Krieg bevor alle Werke ihren Werk

Giulio G. Zumbo und seine grausigen Wachsmodelle

Giulio G. Zumbo, Präparat eines männlichen Kopfes, Wachsmodell, 1695, Museo di Storia Naturale (La Specola), Florenz. Aus: Petra Lamers-Schütze, Yvonne Havertz (Hg.), Encyclopaedia Anatomica. Museo La Specola Florence, Köln 1999, S. 19. Giulio Gaetano Zumbo lebte im barocken Florenz und fertigte (zumeist) anatomisch korrekte Teile des menschlichen Körpers an (s. Abb. 1). Bereits ein Jahrhundert zuvor begannen medizinisch ausgebildete Männer wie der Flame Andreas Vesalius eigenhändig zu sezieren und somit der menschlichen Anatomie zum Teil sogar vor Publikum zu Leibe zu rücken. Vor der Renaissance war das Aufschneiden des Körpers Sache von niederen Schichten, zum Beispiel Badern. Wohingegen die Untersuchung, die Beschreibungen und medizinischen Erkenntnisse, die auf das Aufschneiden und sezieren folgten, Aufgabe der intellektuellen Mediziner war. Diese jedoch machten sich nicht an den Leichen zu schaffen. Die Medizin war also in zwei Klassen (der körperlich und der geistig arbeite

Das Dorfmuseum in Tremmen im Havelland - Ein Erfahrungsbericht

Wie angekündigt möchte ich abseits von einzelnen Kunstwerken,  eine weitere, oft unbeachtete oder gar verlachte Sparte von Kunst bzw. Museen hier entstauben und würdigen: Kleine Heimatmuseen . Dabei beschränke ich mich zunächst auf Dorfmuseen in Brandenburg. Davon gibt es unheimlich viele! Die allermeisten dieser Museen werden von ehrenamtlich arbeitenden Menschen organisiert, befüllt und gepflegt. Wie Herr Lehnhardt. Er leitet das Dorfmuseum in Tremmen ( HIER gehts zur Website).  Er sagt dazu, er habe es gut, denn im Gegensatz zu vielen anderen kleinen Museen in Brandenburg werde dieses Museum vom Verein "Förderkreis Dorfmuseum Tremmen e.V." getragen und zusätzlich von der nahgelegenen Kleinstadt Ketzin/Havel finanziell unterstützt. Doch von vorn: Tremmen liegt circa 50 Autominuten vom Zoologischen Garten, Berlin entfernt. Die Strecke führt entlang der Heerstraße , die sich durch Westend und Spandau schlängelt.  Auch heute ist diese Straße noch unfassbar lang, d