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Ikonographie IV: Die unerschöpfliche Bandbreite der Mariendarstellungen

Die thronende und gekrönte Madonna, Salzburg, 12. Jahrhundert. In: Kupferstichkabinett, Berlin. 

Jeder kennt die thronende oder stehende Maria mit dem Jesuskind (siehe oben). Die thronenden Madonnen entwickelten sich allerdings erst im frühen Mittelalter (ca. 500 bis 1050). Die stehenden Abbilder sogar erst mit Beginn der Gotik (circa 1350 bis 1500).
Aus frühchristlichen Zeiten widerum ist die "Madonna orans" (orare = beten) bekannt. Eine Madonna, die beide Arme zum Himmel reckt. Ein ähnliches Motiv entwickelte sich auch in Byzanz: Die Blachernotissa. Ohne Kind, frontal dargestellt mit erhobenen Händen.
Wiederum in Byzanz (hier nur angemerkt) entstanden viele Madonnentypen: Die Playtera (griechisch: weit und breit), die Panhagia (griechisch: Die Allerheiligste), die Hodegetria (griechisch: Die Wegführerin) und weitere. Alle Darstellungen weisen Unterschiede auf und zeugen vom starken Marienkult im byzantinischen Reich vor allem im Mittelalter.
Im späten Mittelalter auch im Westen verbreitet: Maria lactans (lactare = säugen) - eine dem Jesuskind die Brust gebende Maria.
Während romanischer Zeit wirkt Maria oft sehr streng. Die Gotik sorgt für mehr Mütterlichkeit, also Hinwendung zum Kind. Zudem wird die Madonna lächelnder und schöner. Das Kind wird erst seit der Mitte des 14. Jahrhunderts unbekleidet dargestellt.
Um 1400 entstehen die sogenannten "Schönen Madonnen" des weichen Stils.
Schöne Madonna, um 1420. In: Ungarische Nationalgalerie. Bildnachweis: Fonds Privé. 

In Renaissancezeiten wurden (vor allem die italienischen) Künstler mutiger und setzten den Knaben auch schon mal auf eine Fensterbank. Zudem wirkt Maria nun bürgerlicher, menschlicher. Hier sehen wir keine Himmelskönigin mehr, sondern eher eine Irdische - natürlich abgesehen vom Nimbus.

Giovanni Santi, Maria mit dem Kind, Italien, 15. Jahrhundert. Wohl vernichtet in Berlin während des 2. Weltkrieges; ursprünglich im Besitz der Gemäldegalerie, Berlin.

Zusätzlich gibt es im 14. und 15. Jahrhundert noch Formen der Andachtsbilder, in denen Maria beispielsweise als Ährenkleidmaria, Löwenmadonna, Mondsichelmadonna, Rosenhag-Madonna (HIER ein spezielles Gemälde dazu), Schutzmantelmadonna und so weiter dargestellt ist.

Nachdem Luther die katholische Kirche zu reformieren (Start: 1517) versucht hatte und sich diese zur Gegenreformation aufmachte, nahm der Marienkult in der katholischen Kirche noch einmal ordentlich Fahrt auf.
In den katholischen Ländern war besonders die "Maria Immaculata" in Zeiten des Barocks beliebt. Also die Maria als Verkörperung der unbefleckten Empfängnis - was ja auch einiges über die Epoche insgesamt und die katholische Kirche im Besonderen aussagen dürfte. Zudem finden sich die zum Himmel auffahrende Maria und neu: Maria als Braut des Heiligen Geistes. Auch die Schmerzensmutter ("mater dolorosa", siehe unten) wird zu einem gängigen Motiv.

Johann J. Kändler, Mater Dolorosa, 1741-42, Porzellan, in der Porzellansammlung Dresden. Bildnachweis: Anette Loesch, Porzellansammlung Dresden, 1998, S. 224.
Durch die Mannigfaltigkeit der Darstellungsformen der Maria wird ihre Wichtigkeit und Prominenz innerhalb des katholischen Glaubens deutlich. Sie verbindet über Jahrhunderte, ja Jahrtausende hinweg die Themen der liebenden, leidenden und nährenden Mutter, der Himmelskönigin, der unbefleckten Empfängnis, der Jungfrau, der Auserwählten und so weiter. Auch in anderen Religionen spielen so manche weibliche Gottheiten eben vor allem im Aspekt des Mütterlichen eine starke Rolle. Jedoch wird wohl keine Frau der Zahl nach mehr abgebildet als die Madonna.

Quelle: Sachs, Badstübner, Neumann, Christliche Ikonographie in Stichworten, Leipzig 1988, S. 250-252.

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