Apsismosaik, Ravenna, 545. Im Bodemuseum, Berlin. Privatfotografie.
Wenn man durch das Bodemuseum in Berlin streift, kommt man auf seinem Spaziergang in einem großen Raum an, der an der Stirnseite ein Mosaik trägt. Es erstreckt sich über die gesamte Stirnwand und wirkt deshalb sehr imposant. Selbst eine Apsis (halbrunde Aushöhlung) wurde gebaut, um das Mosaik möglichst originalgetreu wiederzugeben.
Das Mosaik stammt aus dem 6. Jahrhundert, erstellt unter byzantinischer Herrschaft in Ravenna (HIER mehr zu Mosaiken und Ravenna). 1844 wurde es in der Kirche San Michele in Africisco abgenommen und nach Berlin geschafft. Einige Details entsprechen wohl nicht mehr dem originalen Zustand. Doch nichtsdestotrotz ist das Kunstwerk eindrucksvoll und kunsthistorisch äußerst ergiebig zu deuten.
Die meisten BesucherInnen werden von der Größe des Mosaiks und dem offensichtlichen Können der Handwerker beeindruckt sein. Jedoch bleibt auch bei diesem Werk vielen die versteckten Bedeutungen der Ikonographie verborgen.
Die Stirnwand zeigt mittig Jesus Christus mit Kreuznimbus und Evangelium in der linken Hand. Interessant ist, dass er nicht nur auf einem Thron sitzt, sondern auch seine Füße auf einer Unterlage - einem sogenannten Suppedaneum - ruhen. Diese Art Unterlage soll dafür sorgen, dass der Herrscher nicht den Boden berühren muss. In Byzanz galt das auch für den irdischen Herrscher - den Kaiser, der allerdings auch oberster Geistlicher war. Papst und Kaiser in einem sozusagen. Er saß auf einem Goldenen Thron, den Boden mit den Füßen nicht berührend und alle Gäste, die vor ihn traten mussten in die Proskynese fallen: Sich bäuchlings auf den Boden werfen, die Arme zu den Seite gestreckt.
Jesus und irdischer Herrscher sind in der Ikonographie des Mosaiks also verknüpft. Zur Zeit der Herstellung des Mosaiks war Justinian der Große Kaiser im byzantinischen Reich. Er vertrat voll und ganz für das Christentum ein, er war Bauherr der Hagia Sophia, die man noch immer in Istanbul besuchen kann; er schuf zudem ein einheitliches Recht. Jedoch gilt er als strenger und brutaler Herrscher, der keine Unruhen im Reich duldete und das erwähnte Hofzeremoniell strikt durchführen ließ.
Zurück zur Stirnwand. Rechts und links neben Jesus stehen zwei Erzengel. Sie tragen Heiligenscheine und Zeremonienstäbe. Um sie herum scharen sich Engel mit Posaunen, linkerhand vier, rechterhand drei. Es sind die sieben posaunenden Engel aus der Offenbarung des Johannes (Apokalypse). Jede Posaune bringt dabei ein weiteres Unheil hervor. Beispielsweise öffnet die 5. Posaune einen Abgrund in der Erde, aus dem Heuschrecken quellen und Menschen ohne Taufe und Glauben quälen. Unter all den Personen auf der Stirnwand ist das mit Feuer durchmengte Meer aus der Apokalypse dargestellt. Jesus ist natürlich der Retter eines jeden gläubigen Menschen aus dieser Apokalypse. Seine Präsentation des Evangeliums macht das deutlich. Das Mosaik der Stirnwand ruft den Betrachter dazu auf, sich dem Christentum zu verschreiben. Die Drohung der nahenden Apokalypse schwingt dabei nicht nur mit, sondern wird explizit abgebildet. Jesus bietet also Schutz aber auch Verdammnis. Ähnlich wie ein irdischer Herrscher auch. In der Apsis geht es ruhiger zu. Dort sehen wir wiederum den diesmal jugendlich dargestellten Jesus Christus mittig mit Kreuzstab, Kreuznimbus und zeitgenössisch, antikem Gewand. Der Kreuzstab deutet auf seine überwundene Passion, sein Sterben am Kreuz hin. Er hält der Betrachterin ein geöffnetes Buch entgegen. Auf den Seiten steht: "Wer mich sieht, sieht auch den Vater" und "Ich und der Vater sind eins". Hier geht es beide Male um die Wesensgleichheit von Vater (Gott) und Sohn (Jesus). Ein heftiger Streitpunkt zwischen Geistlichen des Christentums. Bereits im Jahr 342 spalteten sich die Arianer vom Rest der Kirche ab, da sie anderer Meinung waren und die beiden als zwei verschiedene, für sich stehende Personen wahrnahmen. Die linke Hand mit der Jesus das Buch hält, ist verhüllt. Das Buch und seine Botschaft erhalten so eine hohe Bedeutung. Wie eine kostbare Reliquie darf es nur mit verhüllten Händen berührt werden. Flankiert wird Jesus von den Erzengeln Michael und Gabriel. Alle drei stehen auf einer hügeligen, grünen Wiese auf der weiße Lilien wachsen. Die stilisiert dargestellten Blumen stehen in diesem Kontext wohl für die Gnade und Reinheit Jesu. Das passt wiederum zu dem Lamm, das genau über ihm in der Apsislaibung dargestellt ist. Es ist die Darstellung des Lamm Gottes, das wiederum in der Offenbarung des Johannes auftaucht. Es ist ein gängiges Symbol für Jesus Christus im Sinne der Opferung seines Körpers für die Menschheit. Jesus wird im gesamten Werk also auf drei verschiedenen Ebenen dargestellt: Als Herrscher, als Lamm Gottes und als siegreicher Überlebender der Passion. Um das Lamm herum flattern weiße Taube, die symbolisch für die Apostel stehen. Das Evangelium, das Leben und Sterben Christi soll durch sie verbreitet werden. |
Giulio G. Zumbo, Präparat eines männlichen Kopfes, Wachsmodell, 1695, Museo di Storia Naturale (La Specola), Florenz. Aus: Petra Lamers-Schütze, Yvonne Havertz (Hg.), Encyclopaedia Anatomica. Museo La Specola Florence, Köln 1999, S. 19. Giulio Gaetano Zumbo lebte im barocken Florenz und fertigte (zumeist) anatomisch korrekte Teile des menschlichen Körpers an (s. Abb. 1). Bereits ein Jahrhundert zuvor begannen medizinisch ausgebildete Männer wie der Flame Andreas Vesalius eigenhändig zu sezieren und somit der menschlichen Anatomie zum Teil sogar vor Publikum zu Leibe zu rücken. Vor der Renaissance war das Aufschneiden des Körpers Sache von niederen Schichten, zum Beispiel Badern. Wohingegen die Untersuchung, die Beschreibungen und medizinischen Erkenntnisse, die auf das Aufschneiden und sezieren folgten, Aufgabe der intellektuellen Mediziner war. Diese jedoch machten sich nicht an den Leichen zu schaffen. Die Medizin war also in zwei Klassen (der körperlich und der geistig arbeite...
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