Der Klosterhof im Park Klein-Glienicke bei Potsdam
Die Parks und Schlösser und Potsdam herum sind ja sowieso schon einmal einen, zwei, drei Besuche wert, ja geradezu Pflicht. Erstant gehören sie zum UNESCO-Weltkulturerbe. Zweitens ist die Gegend wunderschön zum Spazieren gehen (und ohnehin nur einen Steinwurf von Berlin entfernt). Drittens finden sich hier Schmuckstücke der Architektur, die man in Deutschland gar nicht erwarten würde.
Die Parks und Schlösser und Potsdam herum sind ja sowieso schon einmal einen, zwei, drei Besuche wert, ja geradezu Pflicht. Erstant gehören sie zum UNESCO-Weltkulturerbe. Zweitens ist die Gegend wunderschön zum Spazieren gehen (und ohnehin nur einen Steinwurf von Berlin entfernt). Drittens finden sich hier Schmuckstücke der Architektur, die man in Deutschland gar nicht erwarten würde.
Auf einem kurzen, frühlingshaften Waldspaziergang traf ich im April zufällig auf eines dieser Bauwerke: Den Klosterhof im Park Klein-Glienicke. Mich von hinten aus den Büschen nähernd, fallen mir sofort einige Besonderheiten des Gebäudes auf: Eine durch wechselnde Gesteinsschichten gestreifte Außenfassade, die Rundbögen durch Zickzack-Muster verziert, eingedreht wirkende Säulenschäfte und floral-verschnörkelte Kapitelle. Das alles weckt mein Interesse, denn diese ersten Beobachtungen sprechen nicht gerade zu deutsche, nicht einmal für zentraleuropäische Architektur.
Frontal vor dem Eingang des eindeutig klerikalen Gebäudes - ein goldenes Kreuz ziert die Spitze des Daches - wird dann alles klar: Hier wollte jemand eine kleine, feine, byzantinisch angehauchte Kapelle schaffen. Und das hier! Im Nordosten Deutschlands..
Aber von vorn: Deutlich wird dieser byzantinische Stil durch mehrere Anhaltspunkte. Der dienlichste Hinweis findet sich am Hauptportal selbst: Im Tympanon (die Giebelfläche gleich oberhalb des Eingangs) befindet sich ein Mosaik. Abgebildet in bunten Farben, mit einem goldenen Nimbus (Heiligenschein) und einer aufwendigen Kopfbedeckung gekrönt, ist die Büste einer herrschaftlichen Dame abgebildet. Die lateinische Inschrift "Regina Caelo" verrät der Betrachterin um wen es sich handelt: Um die Königin des Himmels. Also im christlichen Sinne um die Jungfrau Maria. Das allein macht das Mosaik aber nicht byzantinisch. Es ist die Erscheinung an sich, der Typus, in dem die Mimik dargestellt ist. Der Stil der Kopfbedeckung und die leuchtenden Goldmosaiksteinchen rufen: BYZANZ!
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Tympanon über dem Eingang des Klosterhofs - Privatfoto |
In Ravenna (einer Stadt im Nordosten Italiens, die einst byzantinisches Exarchat war) und dort in der Kirche San Vitale, findet sich ein großflächiges Mosaik, das den damals herrschenden, byzantinischen Kaiser Justinian I. und seine Gattin Theodora zeigt. Sie regierten im sechsten Jahrhundert n. C. und gelten als eines der schillerndsten Kaiserpaare überhaupt.
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Theodora und ihr Hof - aus: James Snyder, Medieval Art. Painting, Sculpture, Architecture, New York 1989, S. 141, Tafel 17. |
Die Jungfrau Maria im Tympanon des Klosterhofs und die byzantinische Kaiserin in San Vitale sehen sich erstaunlich ähnlich. Der Künstler des 19. Jahrhunderts, der die Mutter Maria schuf, nahm also eindeutig Bezug auf byzantinische Mosaikkunst.
Ein weiterer Anhaltspunkt ist die schon erwähnte, gestreifte Fassade. Bei vielen byzantinischen Kirche, die man immer noch in Istanbul besichtigen kann, handelt es sich um eine Mischung aus Ziegel- und Bruchstein, wodurch eine gestreifte Optik entsteht.
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Chora Kloster, Instanbul - Fotograf: Kai Kappel |
Beim Klosterhof im Park Klein-Glienicke ist diese spezielle Mischung nicht gegeben. Hier wird der Streifen-Look an der Außenfassade durch die Mixtur anderer Gesteinsarten erzeugt.
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Klosterhof von Nordwesten - Fotograf: Ferdinand von Arnim |
Seitenweise könnte ich jetzt auf dekorative Elemente, wie die gedrehten Säulchen, die Umrahmungen des Portals mit Blütenornamente in á jour-Technik oder die Tondi im Innenhof eingehen.
Jedoch möchte ich mich darauf beschränken, Euch noch auf eine Auffälligkeit hinzuweisen, die dem ganzen Gebäude noch eine weitere Bedeutungsebene gibt: Vor dem Portal befindet sich eine hohe Säule auf dessen korinthischen Kapitell ein geflügelter Löwe thront (HIER erfährst Du mehr über Säulenordnungen). Die linke Vorderpranke hat er auf ein Buch gestellt. Hierbei handelt es sich um den Markuslöwen (Du willst mehr über den und die anderen Evangelisten - HIER). Vielen werden ihn aus Venedig kennen. Doch was hat jetzt Venedig mit Byzanz zu schaffen? Venedig war (wie Ravenna) ein Außenposten des byzantinischen Reichs. Somit nimmt auch diese exponierte Säule Rückbezug auf Byzanz.
Markuslöwe auf der Säule - Privatfoto |
Der Klosterhof im Park Klein-Glienicke wurde im 19. Jahrhundert errichtet. Er gehört zu einer großen Anlage mit diversen Gebäuden und dem großen englischen Garten.
Was bewegt einen Bauherren aus dem 19. Jahrhundert dazu, die Kunst eines Reichs zu rezipieren, das seit 1453 tot ist? Eine Möglichkeit ist die Zurschaustellung von Macht, Größe, Glanz und christlicher Religionszugehörigkeit. Alles Attribute, die das Weltreich Byzanz verkörperte und noch immer verkörpert. Der Kaiserhof von Konstantinopel (der Hauptstadt Byzanz´) galt im Mittelalter und darüber hinaus als der reichste, glanzvollste und extravaganteste überhaupt. Das möchte natürlich jeder Herrscher von sich behaupten können.
Der Bauherr dieses außergewöhnlichen Klosterhofs war Carl von Preußen. Neben Repräsentation kam bei Carl wohl auch hinzu, dass er einen Ort für seine Sammlung byzantinischer Skulpturen brauchte. Und wo passen sich diese besser ein, als in eine byzantinisch anmutende Kapelle?
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